Montag, 14. Oktober 2013
Vormund
Zudem
schadet grundsätzlich ein Auseinanderfallen von tatsächlicher und rechtlicher
Verantwortung der Entwicklung eines Kindes (Staudinger/Coester, BGB, Neubearb.
2006 zu § 1666 RdNr. 147).
Entzug eS als Disziplinarmittel
Die Entziehung bzw. Vorenthaltung der Elterlichen
Sorge als Disziplinarmittel (Brandenburg. OLG v. 25.04.2013 – 9 UF 36/13) ist
nicht die Aufgabe des Gerichts und wird den Anforderungen einer Abwägung im
Rahmen des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerecht.
Wahrer Kindeswille vs. Beeinflussung
Entspringt die
Ablehnung dem wahren Kindeswillen, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob dieser Wille durch eine ungewollte Weitergabe der eigenen ablehnenden Einstellung der Kindesmutter oder gar
durch deren gezielte
Beeinflussung entwickelt worden ist (Brandenburg. OLG v.
20.10.2009 - 10
UF 177/08).
Selbst
eine feststellbare Verinnerlichung der von einer Mutter induzierten Inhalte macht deutlich, dass
"Bewertungen, also auch Abwertungen, Ängste und Zielintentionen der beeinflussenden Person in die eigenen
Einstellungen, Gefühle und
Willensbestandteile des Kindes integriert worden sind. Sie sind in das individuelle Selbstkonzept
übernommen worden. Ablehnungen und Ängste
werden gefühlt, Ziele werden vertreten und angestrebt im Sinne eigener Intentionen" (Harry Dettenborn
und Eginhard Walter, Familienrechtspsychologie,
München 2002, S.83ff). Sie gehören dann zur eigenen
Identität eines Kindes.
Nur wenn die behauptete manipulierte Äußerung des Kindes den wirklichen Bindungsverhältnissen nicht entspricht oder seinerseits zu einer Kindeswohlgefährdung führen würde, wäre es gerechtfertigt, einen evtl. beeinflussten Kindeswillen unberücksichtigt zu lassen. Im Übrigen setzt ein stabiler Kindeswille voraus, dass eine Willenstendenz über eine gewisse Zeit, auch unter unterschiedlichen Umständen, beibehalten wird. (KG v . 14.11.2012-13 UF 141/12).
Nur wenn die behauptete manipulierte Äußerung des Kindes den wirklichen Bindungsverhältnissen nicht entspricht oder seinerseits zu einer Kindeswohlgefährdung führen würde, wäre es gerechtfertigt, einen evtl. beeinflussten Kindeswillen unberücksichtigt zu lassen. Im Übrigen setzt ein stabiler Kindeswille voraus, dass eine Willenstendenz über eine gewisse Zeit, auch unter unterschiedlichen Umständen, beibehalten wird. (KG v . 14.11.2012-13 UF 141/12).
Umgangsboykott
Die Tatsache, dass
Kinder den Umgang ablehnen, rechtfertigt keinesfalls die Annahme, die Mutter würde den Umgang boykottieren (KG Berlin v. 14.11.2012-13
UF 141/12).
Umgangsrecht vs. Persönlichkeitsrecht des Kindes
Ein klar geäußerter
Wille des Kindes besitzt keinen
absoluten Vorrang vor dem Umgangsrecht
des Elternteils, der den Umgang begehrte. (OLG Köln v. 25 .01.2010- 1 UF 188/09,
11-4 UF 188/09).
Es ist zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Kindes und dem Interesse
des umgangsberechtigten Elternteils
abzuwägen, wobei der Kindeswille mit zunehmendem Alter für die Entscheidung des Gerichts an Bedeutung gewinnt. ln
jedem Fall hat das Gericht bei einer Anhörung des Kindes den Gründen für seinen entgegenstehenden Willen
nachzugehen. Die Ablehnung des Umgangs
seitens des Kindes ist beachtlich, wenn diese auf tatsächlichen Erlebnissen des Kindes beruht oder wenn das Kind
aufgrund nicht verarbeiteter Vorgänge
die durch die Besuchskontakte entstehende Konfliktsituation
nicht zu bewältigen vermag. Darüber hinaus hat die Erzwingung eines Umgangrechts wenig Sinn.(OLG Hamm v. 04.04.2011
- 8 UF 161/10, 11-8 UF 161/10).
Erzwungener Umgang schadet Kind
Die eigene
Willensbildung ist Ausdruck der Individualität und Persönlichkeit des Kindes, die ihrerseits dem
grundrechtlichen Schutz der Persönlichkeit und
der Menschenwürde unterliegen. Daher ist auch der Wille des Kindes, keinen Umgang haben zu wollen, zu beachten. Denn ein
gegen den ernsthaften Widerstand eines
Kindes erzwungener Umgang kann durch die Erfahrung
der Missachtung der eigenen Persönlichkeit größeren Schaden verursachen als Nutzen (KG Berlin v.
10.05.2010-19 UF 7/09; Brandenburg. OLG
v. 20.10.2009- 10 UF 177/08).
Kindeswille rechtzeitig beachten
Der zu beachtende Wille
des Kindes muss nicht erst durch erkennbare psychische
Schäden Bestätigung finden, um triftige Kindeswohlgründe ernst
zu nehmen. (BVerfG v. 27.06.2008-
1 BvR 311/08).
kein Entzug der eS wegen Bindungsintoleranz
Im übrigen würde eine fehlende oder
eingeschränkte Bindungstoleranz einer Mutter alleine keinen Entzug der
elterlichen Sorge rechtfertigen (KG Berlin v. 10.05.2010 – 19 UF 7/09).
Grundrechtsschutz durch Verfahren sicherstellen
Der Grundrechtsschutz
ist auch durch die Gestaltung des Verfahrens sicherzustellen.
Das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestal-tung geeignet und angemessen sein, um der Durchsetzung der
materiellen Grundrechtspositionen wirkungsvoll
zu dienen (BVerfG v. 19.12.2007,
s.o.).
Amtsermittlungsgrundsatz im Verfahren § 1696 BGB
Im Verfahren nach § 1696
BGB haben die Gerichte im Hinblick auf das Kindeswohl dem Amtsermittlungsgrundsatz
Rechnung zu tragen. Das hat zur Folge, dass das Gericht sich eine möglichst
zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu
verschaffen hat; keineswegs sind die Gerichte hierbei in jedem Fall gehalten,
ein Sachverständigengutachten einzuholen (BVerfG FamRZ 2009, 1389).
Kindeswohl, statt Sanktionen
Aus der grundrechtlichen
Gewährleistung des Elternrechts wie auch aus der Verpflichtung des Staates, über dessen Ausübung im Interesse des Kindeswohls zu wachen, ergeben sich auch
Folgerungen für das Verfahrensrecht
und seine Handhabung im Sorgerechtsverfahren. Die Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist nicht an eine Sanktion
des Fehlverhaltens eines Elternteils,
sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren
(BVerfG v. 18.05.2009, s.o.)
Keine Sanktionen für vermeintliches Fehlverhalten
Die Fachgerichte haben im vorliegenden Fall ein
Verfahren gewählt, das keine geeignete
zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl
orientierte Entscheidung ergab, weil die Ermittlung der Sachverhalte bedeutsame Gesichtspunkte für das
Kindeswohl außer acht ließ. Sie haben bei
ihren Abwägungen Gesichtspunkte den Ausschlag geben lassen, die den Eindruck hinterlassen, dass hier
Fehlverhalten der Mutter sanktioniert werden
sollten, die wiederum keinen nachweisbaren Bezug für eine konkrete, dauerhafte
Kindeswohlgefährdung erkennen ließen (so auch BVerfG v. 18.05.2009 BvR 142/09, wo bemängelt wurde, dass die Sorgerechtsentscheidung in kaum verhohlener
Deutlichkeit als Sanktion für ein Fehlverhalten eines Elternteils gedacht
war; s.a. VerfGH des Freistaates Sachsen v. 18.04.2011- Vf.122-IV-10).
Nachteile müssen ggf. in Kauf genommen werden
Der Entzug der
elterlichen Sorge als stärkster Eingriff in das Elternrecht berührt auch das Persönlichkeitsrecht der
Eltern aus Art. 2 Abs. 1 GG, da damit
die familiengerichtliche Feststellung verbunden ist, die Eltern hätten bei der Erziehung ihres Kindes versagt. Es
gehört nicht zur Ausübung des Wächteramtes des Staates, für eine bestmögliche Förderung des Kindes zu sorgen. Vielmehr wird auch in Kauf
genommen, dass Kinder durch den Entschluss
der Eltern wirkliche oder vermeintliche Nachteile erleiden (BVerfG v.
19.12.2007 -1BvR 2681/07).
Hohes Gefährdungspotential muss festgestellt sein
Deshalb ist ein so
einschneidender Eingriff in das Elternrecht wie die Entziehung der elterlichen Sorge nur dann zu rechtfertigen, wenn
ihm massiv belastende Erkenntnisse
zugrunde liegen und ein entsprechend hohes Gefährdungspotential
für das Kind festgestellt werden kann (OLG Hamm v. 08.06.2011 - 11-UF 46/11).
Nicht jedes Versagen führt zum Entzug
Nicht
jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit eines Elternteils berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2, S.2 GG
zukommenden Wächteramts die Eltern von der Pflege
und Erziehung ihres Kindes auszuschalten. (BVerfG v.
10.09.2009- 1 BvR 1248/09).
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